Die Ziele der Strategie Europa 2020 wurden unter der Prämisse angenommen, dass Europa nach der Finanzkrise, die in Folge der Finanz- und Hypothekenkrise in den Vereinigten Staaten Europa im Jahr 2008 erreichte, schnell zu Wirtschaftswachstum würde zurückkehren können. 2010 wurden drei Hauptszenarien für die Wirtschaftsaussichten Europas in Erwägung gezogen: kräftiges Wachstum, schleppender Aufschwung oder ein verlorenes Jahrzehnt.  Da jetzt, sechs Jahre später, die Situation irgendwo zwischen dem zweiten und dem dritten Szenario zu verorten ist, ist das Erreichen vieler der Ziele sehr schwierig geworden.

Die positiven Effekte der Strategie Europa 2020 sind größtenteils nicht eingetreten. In vielen Bereichen ist geradezu ein Stillstand zu verzeichnen. Die Zahlen für den Zeitraum 2010–2013 belegen, dass die gegenwärtige Wirtschafts- und Sparpolitik nicht dazu beiträgt, die Ziele der Strategie umzusetzen.

Die Strategie Europa 2020 sollte weiterhin als Richtschnur für die EU Politik gelten, da die fünf Kernziele nach wie vor sinnvoll und im Hinblick auf die zentralen Herausforderungen, vor denen Europa gegenwärtig steht, angemessen sind.

Nach einer mehrere Jahre andauernden, schmerzhaften Krise und nach der jüngst erfolgten Verabschiedung der Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030  muss die Europäische Union ihre Wachstums- und Beschäftigungsstrategie mithilfe von ehrgeizigen Plänen neu beleben. Der Abbau von Arbeitslosigkeit und sozialer Ungleichheit ist für den Erfolg der Europäischen Integration entscheidend, insbesondere jetzt, da sich Europa auf größere Einwanderungsströme vorbereiten muss. Zusätzliche und bessere Arbeitsplätze können jedoch nur dann geschaffen werden, wenn die erforderlichen Investitionen getätigt werden, um den Übergang hin zu einer innovativen, CO2-neutralen und digitalen Wirtschaft zu beschleunigen.

Dieser Übergang zu einem neuen Wachstumsmodell muss mit den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung in Einklang stehen, wobei auch ihre wirtschaftliche, soziale und ökologische Dimension berücksichtigt werden muss. Die Schaffung von hochwertigen und nachhaltigen Arbeitsplätzen – und nicht nur der Abbau der Arbeitslosigkeit – muss die Grundlage jeder Beschäftigungsstrategie sein. Ein neues Wachstumsmodell muss auf sozialer Gerechtigkeit beruhen. Um das Wachstumsziel zu erreichen, muss gleichzeitig der Schwerpunkt auf FuE, Innovation und Kreativität gelegt werden, damit sowohl in traditionellen als auch in neuen Branchen innovative Produkte, Verfahren und Dienstleistungsangebote entwickelt werden – darunter auch barrierefreie Güter und Dienstleistungen.

Für die Herstellung innovativer Produkte und Dienstleistungen werden jedoch gut ausgebildete Arbeitskräfte benötigt, was eine der Aufgaben des Bildungssystems darstellt. Außerdem benötigen die Unternehmen Zugang zu Kapital, um die Entwicklung und Produktion von neuen Produkten und Dienstleistungen voranzutreiben. Daher muss auch die langfristige Finanzierung in die Strategie Europa 2020 wirksam miteinbezogen werden.

In einem neuen Wachstumsmodell muss ferner berücksichtigt werden, dass der Binnenmarkt – wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen – ein wesentliches Hilfsmittel zur Schaffung einer Marktwirtschaft ist, in der der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital mit den Zielen der Sozialpolitik abgestimmt werden muss.

Zudem müssen die europäischen Bürger bei den Entscheidungen zu dieser Strategie stärker demokratisch einbezogen werden, wie etwa bei der von der Kommission organisierten öffentlichen Konsultation 2014.

Was die Finanzierung der politischen Strategien der EU knapp zwei Jahre nach dem Beginn des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2014–2020 betrifft, hat sich die Lage, für die der gegenwärtige Finanzrahmen gilt, durch neu aufkommende Krisen und Prioritäten verändert. Vermutlich werden die im geltenden mehrjährigen Finanzrahmen vorhandenen Ressourcen in den kommenden Jahren nicht ausreichen, um die zahlreichen Krisen zu bewältigen und um die Prioritäten der Strategie Europa 2020 in einem wünschenswerten Umfang zu finanzieren. Aus diesem Grund ist eine echte Halbzeitüberprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens erforderlich.

Zudem sollten die Prioritäten der Strategie Europa 2020, wie auch alle anderen Prioritäten, die künftig auf höchster politischer Ebene der EU entschieden werden könnten, von einem verbindlichen Finanzierungsplan begleitet werden, der auch eine Abschätzung ihrer Auswirkungen auf den EU Haushalt beinhaltet. Ansonsten kann es weder ein echtes Engagement, noch einen echten Erfolg geben.
Angesichts der neuen Herausforderungen, denen die EU an ihrer Außengrenze gegenübersteht und die eng mit den Herausforderungen verknüpft sind, denen sich die EU intern gegenübersieht und angesichts des Fortschritts auf der Ebene der globalen Struktur- und Ordnungspolitik (Umwelt, Energie, Finanzen, Besteuerung usw.) muss unser internes Modell erneuert und gefördert werden: Die EU muss ihre Anstrengungen bündeln und ihre politischen Maßnahmen kohärenter gestalten.

Wir müssen unsere Partner darin bestärken, sich unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten sowie ihrer Kultur und Zivilisation an uns anzunähern und dieselbe Richtung einzuschlagen. Alle Instrumente des auswärtigen Handels der EU (strategische Partnerschaften, Handelsabkommen, multi- und bilaterale Zusammenarbeit und interkultureller Dialog als Soft Power) sollten genutzt werden, um sowohl die globale Ordnungspolitik zu verbessern als auch die Konvergenz zu erhöhen.