Der Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland und Desinformation (INGE) des Europäischen Parlaments hat heute über seinen Standpunkt zu den Reformen abgestimmt, die die Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht des EU-Parlaments stärken sollen. Der mit großer Mehrheit angenommene und von der Sozialdemokratischen Fraktion merklich verbesserte Bericht enthält klare Leitlinien für das Parlament und seine Mitglieder zur Transparenz und zum Schutz des Parlaments vor ausländischer Einflussnahme. Die S&D-Fraktion hätte sich allerdings weit ehrgeizigere Bestimmungen in Bezug auf die finanziellen Interessen von EU-Abgeordneten gewünscht – ein Thema, das sie weiter verfolgen wird.

Bei der im Juli anstehenden Abstimmung im Plenum wird die Sozialdemokratische Fraktion erneut für eine Karenzzeit von bis zu 24 Monaten für EU-Parlamentarier plädieren, die nach Ablauf ihres Parlamentsmandats eine Lobbytätigkeit aufnehmen möchten. Der heute von den Konservativen beschlossene Kompromiss sieht lediglich eine sechsmonatige Karenzzeit vor. Außerdem ruft die S&D-Fraktion die konservative Europäische Volkspartei (EVP) und die liberale Fraktion Renew Europe (RE) dazu auf, ihrem Vorschlag zu folgen und EU-Abgeordneten alle im EU-Transparenzregister aufgeführten Nebentätigkeiten zu verbieten. EU-Parlamentarier sollten als Mandatsträger keinerlei Lobbyarbeit für Unternehmen betreiben dürfen.

Da die beschlossenen Maßnahmen über den 14-Punkte-Reformplan von Parlamentspräsidentin Metsola hinausgehen, hat die S&D-Fraktion in der Schlussabstimmung dafür gestimmt. Die Fraktion wird jedoch versuchen, bei der Abstimmung im Plenum schärfere Maßnahmen durchzusetzen. Sie hat allerdings schon jetzt einige wichtige Verbesserungen erzielt, etwa die Verpflichtung für alle EU-Parlamentarier, vor und nach Ausübung ihres Mandats eine Vermögensaufstellung einzureichen und Geschenke im Wert von mehr als 100 Euro abzugeben. Die beschlossenen Regeln sehen auch ein Verbot bezahlter Nebentätigkeiten für Drittländer vor, die ein hohes Risiko darstellen, sowie die Pflicht zur Veröffentlichung aller mit Dritten anberaumten Treffen. Die neuen internen Regeln der S&D-Fraktion gehen sogar noch weiter. Sie verlangen nicht nur von EU-Abgeordneten, sondern auch von akkreditierten Assistenten und Bediensteten, alle angesetzten Treffen mit Lobbyisten und Interessenvertretern öffentlich zu machen.

Andreas Schieder, Sprecher und Verhandlungsführer für die S&D-Fraktion im INGE-Ausschuss, sagte:

„Die vom INGE-Ausschuss angestellten Ermittlungen haben uns gezeigt, dass ausländische Einflussnahme ein größeres Problem darstellt, als wir vermutet hatten. Autoritär geführte Länder wie Russland und China versuchen, die EU zu spalten und zu schwächen und unser demokratisches Modell zu untergraben. Der Katargate-Skandal hat verdeutlicht, dass auch wir im Europäischen Parlament nicht gegen Einflussnahme aus dem Ausland immun sind.

In den letzten Monaten haben wir Empfehlungen zur Gewährleistung höchster Standards bei der Transparenz erarbeitet, die die Allgemeinheit jetzt von uns erwartet. Wir müssen künftig nicht nur Korruption unterbinden, sondern das EU-Parlament auch vor böswilliger ausländischer Einflussnahme schützen. Die heute beschlossenen Maßnahmen reichen von der Offenlegung der Vermögenswerte von EU-Abgeordneten bis hin zur obligatorischen Bekanntgabe ihrer Treffen. Außerdem soll es schärfere Auflagen für Organisationen geben, die mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten möchten. Dies ist positiv, aber noch nicht genug.

Unsere Maßnahmenvorschläge bezüglich der finanziellen Interessen von EU-Abgeordneten erhielten leider keinen ausreichenden Zuspruch. Ehrlich gesagt ist auch die sechsmonatige Karenzzeit viel zu kurz. Des Weiteren brauchen wir weit rigorosere Bestimmungen, um unangemessene Nebeneinkünfte zu verbieten. Eins muss sonnenklar sein: Man kann nicht Mitglied des Europaparlaments und gleichzeitig Lobbyist sein. Die Sozialdemokratische Fraktion wird auch weiter für ehrgeizige Reformen kämpfen und durch Einhaltung ihrer eigenen strengen Regeln mit gutem Beispiel vorangehen.“

Raphaël Glucksmann, Vorsitzender des Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, meinte: 

„Die jüngsten Korruptionsvorwürfe und die Beeinflussung des EU-Parlaments aus dem Ausland haben gezeigt, wie verbreitet und zersetzend die Versuche autokratischer Regierungen sind, auf europäische Demokratien Einfluss zu nehmen. Zudem nimmt die Glaubwürdigkeit des Europaparlaments großen Schaden. Aus diesem Grund müssen wir die Vorschriften noch vor der nächsten Europawahl tiefgreifend verändern, um unsere Institutionen transparenter zu machen und besser zu schützen. Vor allem benötigen wir dringend eine unabhängige EU-Ethikbehörde mit echten Ermittlungsbefugnissen, die alle EU-Organe kontrolliert. Was wir bisher von der Kommission dazu gehört haben, reicht nicht aus.

Verglichen mit dem Metsola-Plan, der kürzlich vom Präsidium des Europäischen Parlaments gebilligt wurde, sind die heutigen Empfehlungen des INGE-Ausschusses ein Schritt nach vorn. Wir können und müssen unsere Ziele jedoch höher stecken, vor allem was Nebentätigkeiten und die Karenzzeit angeht. Einige Europaparlamentier hoffen, dass alles so bleibt, wie es ist. Das steht aber nicht zur Debatte. Wir müssen klar darlegen, dass unsere Demokratie nicht käuflich ist.“

Hinweis für die Redaktion:

Der INGE-Ausschuss, der 2020 auf Initiative der Sozialdemokratischen Fraktion eingesetzt wurde, hat über mehr als zwei Jahre die zunehmende und immer raffiniertere Einflussnahme autokratischer Regierungen, insbesondere in Russland und China, analysiert und vor ihr gewarnt. Heute fand im Plenum des Europäischen Parlaments eine Abstimmung über die konkreten, vom INGE-Ausschuss im Mai beschlossenen Empfehlungen darüber statt, wie sich der demokratische Prozess vor böswilligen ausländischen Akteuren schützen lässt. Nähere Informationen dazu gibt es hier.

Beteiligte Abgeordnete
Delegationsleiter
Mitglied
Frankreich
Delegationsleiter
Mitglied
Österreich
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