Das Europäische Parlament wird heute erneut die schlechter werdende Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen erörtern. Die Sozialdemokratische Fraktion wird die EU-Kommission und den Rat auffordern, alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, um die Gewaltentrennung, die Unabhängigkeit der Justiz und den Vorrang des EU-Rechts in Polen zu verteidigen.

Die S&D Fraktion bekräftigt die Notwendigkeit eines neuen EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, um die Situation in allen Mitgliedsstaaten und mögliche Konsequenzen in Bezug auf den Zugang zu EU-Subventionen zu beurteilen. 

Der sozialdemokratische Berichterstatter des Europäischen Parlaments für Polen, Juan Fernando López Aguilar, Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und ehemaliger spanischer Justizminister, sagte dazu:

„Als wir im Januar die Lage in Polen erörterten, dachten wir, dass es nicht mehr schlimmer werden könnte. Wir haben uns geirrt. Entgegen den Warnungen der Venedig-Kommission des Europarats und nur wenige Tage nach Kommissarin Jourovás Warschau-Besuch unterzeichnete der polnische Präsident ein neues Disziplinarrecht, das gemeinhin als ‚Maulkorbgesetz‘ bezeichnet wird. Demnach können Richterinnen und Richter bestraft oder gar entlassen werden, wenn sie die Legitimität der Justizreformen, die die PiS-Regierung beschlossen hat, kritisieren oder in Frage stellen. Das neue Gesetz soll nicht nur die Unabhängigkeit der Richter beseitigen, tatsächlich verhindert es auch, dass polnische Richter europäisches Recht gemäß der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs anwenden.

Wir müssen es laut und deutlich sagen: Das ist ein direkter Angriff auf die rechtlichen Grundlagen der EU und könnte de facto zum Rückzug Polens aus der EU-Rechtsordnung führen. Die Sozialdemokratische Fraktion fordert die EU-Kommission auf, ein neues Vertragsverletzungsverfahren aufgrund dieses Maulkorbgesetzes einzuleiten, und den EU-Rat, endlich die nächste Stufe des Artikel-7-Verfahrens anzugehen.“ 

Katarina Barley, sozialdemokratische Vizepräsidentin des Europaparlaments, Mitglied der Arbeitsgruppe über die Rechtsstaatlichkeit und ehemalige deutsche Justizministerin, fügte hinzu:

„Trotz mehrfacher Warnungen durch dieses Parlament, die EU-Kommission, die unabhängigen Experten der Venedig-Kommission und die Richter selbst bringt die polnische Regierung die Justiz unter politische Kontrolle. Die Handlungen der PiS-Regierung, die zahlreiche kleine Gesetze verabschiedet hat, fügen sich wie ein Mosaik zu einem großen Bild zusammen. In diesem Bild sind Urteile von unabhängigen Gerichten nicht willkommen, sondern werden als disziplinarrechtliches Vergehen geahndet. Es ist ein Bild, in dem das Prinzip des Vorrangs der EU-Gesetze nicht mehr gilt. Ein Bild von einer unabhängigen Justiz, die ihren Namen nicht mehr verdient.

Die Kommission muss unverzüglich den Europäischen Gerichtshof ersuchen, das Maulkorbgesetz mit einstweiligen Maßnahmen zu stoppen. Das reicht jedoch nicht. Wir als Europäische Union müssen klar sagen: Rosinenpickerei darf es nicht geben! Wer in den Genuss von EU-Mitteln kommen möchte, muss sich an die Grundwerte halten. Die Rechtsstaatlichkeit in Polen zerbröckelt, aber noch ist es nicht zu spät für ein entschlossenes Handeln. Die Mehrheit der polnischen Bevölkerung möchte zur EU-Familie gehören. Das bringt Vorteile und Verpflichtungen mit sich, unter anderem die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und den Vorrang des europäischen Rechts. Im Interesse des polnischen Volkes müssen diese demokratischen Grundprinzipien beschützt werden.“

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