Einstimmig bekräftigte die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament das angekündigte Vorhaben der EU-Kommission, Glyphosat für zehn Jahre erneut zuzulassen. Die Sozialdemokraten hoben den offensichtlichen Mangel an Transparenz im Kategorisierungsverfahren der EU-Agenturen hervor. Die Einstufung für Glyphosat, den Wirkstoff des meistverwendeten Unkrautvernichtungsmittels der Welt, basierte großteils auf unveröffentlichten wissenschaftlichen Beweisen der Industrie oder angeblich unabhängigen wissenschaftlichen Abhandlungen, die von der Industrie gesponsert wurden.

 

Die sozialdemokratischen Europaabgeordneten fordern zudem, dass das Vorsorgeprinzip streng angewandt wird, um einen besseren Schutz der Gesundheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, und dass mehr Transparenz und öffentlicher Zugang zu wissenschaftlichen Studien garantiert wird.

 

Der Agrarsprecher der S&D Fraktion Eric Andrieu sagte dazu:

 

„Wir müssen die Bedürfnisse der Landwirtschaft berücksichtigen, aber die Enthüllungen durch den Skandal um die sogenannten Monsanto Papers und die laufenden Rechtsstreitigkeiten in den Vereinigten Staaten ändern die Situation beim Thema Glyphosat. All dies muss erst gründlich beleuchtet werden, bevor über eine Verlängerung der Genehmigung für dieses potenziell krebserregende Produkt, das mehr als 500 Millionen Europäer gesundheitlich beeinträchtigen könnte, überhaupt geredet werden kann.

 

Angesichts dieser Enthüllungen und widersprüchlicher Beurteilungen bezüglich der Sicherheit von Glyphosat können wir die angekündigte Absicht der Kommission, diesen Stoff für weitere zehn Jahre zuzulassen, nicht unterstützen. Es ist inakzeptabel, dass die Kommission die Stimmen von 750.000 EU-Bürgern ignoriert, die die Europäische Bürgerinitiative für ein Verbot der Substanz bereits unterzeichnet haben.

 

Die Absichtserklärung der Kommission, Glyphosat für die nächsten zehn Jahre wieder zulassen zu wollen, ist ein Schlag ins Gesicht all dieser Bürgerinnen und Bürger und zeigt die völlige Missachtung der Europäischen Bürgerinitiativen. Dabei wurde dieses Instrument paradoxerweise in der Absicht geschaffen, das Vertrauen in die EU-Institutionen zu stärken, indem man den Bürgern eine Stimme gibt, um die europäischen Entscheidungsträger auf wichtige Anliegen aufmerksam zu machen.“

 

Die Umweltsprecherin der Sozialdemokratischen Fraktion Miriam Dalli sagte:

 

„Wir wollen, dass die Entscheidung über die neuerliche Zulassung von Glyphosat auf glaubwürdigen, öffentlich zugänglichen und unabhängigen wissenschaftlichen Daten über die Karzinogenität und Reproduktionstoxizität beruht. Es ist unabdingbar, dass die Erfordernisse für die Offenlegung der im Beurteilungsverfahren verwendeten wissenschaftlichen Beweise mit der Pflanzenschutzmittelverordnung und mit der der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Einklang stehen.

 

Bis wir die Wahrheit über die Art und das Gewicht der verwendeten wissenschaftlichen Beweise kennen, und bis wir mit Sicherheit wissen, dass Glyphosat für unsere Bürger und unsere Umwelt sicher ist, können wir nicht erlauben, dass dieser Stoff in der EU frei vermarktet wird.“

 

Die für Nachhaltigkeit zuständige Vizevorsitzende der S&D Fraktion Kathleen van Brempt fügte hinzu:

 

„Wenn es keine zufriedenstellende Antwort von der EU-Kommission gibt, wird die Sozialdemokratische Fraktion die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses oder eines Sonderausschusses zu diesem Thema verlangen.

 

Wir müssen Transparenz, Effizienz und demokratische Kontrolle während des gesamten Zulassungsverfahrens für Unkrautvertilgungsmittel gewährleisten.“

 

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments wird in einer mündlichen Anfrage an die EU-Kommission eine Debatte am 12. Juni beantragen, gefolgt von einer gemeinsamen Anhörung der Ausschüsse für Umwelt und für Landwirtschaft unter Beteiligung aller relevanten Interessensgruppen, einschließlich des Herstellers des Produkts, Monsanto.

 

 

Hinweis für die Redaktion:

 

Glyphosat ist das meistverwendete Breitbandherbizid  und wird gegen Unkraut, vor allem gegen breitblättrige Unkräuter und breitblättrige Gräser, eingesetzt. Es wurde 1970 vom Agrochemiekonzern Monsanto entwickelt und 1974 unter dem Handelsnamen Roundup auf den Markt gebracht.

 

2015 wurde Glyphosat von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), einer Agentur der Weltgesundheitsorganisation, als „vermutlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft.

 

Im November 2015 beharrte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf ihrem Standpunkt, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Substanz genotoxisch (also erbgutschädigend) ist oder ein Krebsrisiko für Menschen darstellt.

 

Im März 2017 kam der Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zu dem Schluss, dass die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht die notwendigen Kriterien erfüllen, um Glyphosat als krebserregende Substanz einzustufen.

 

Die Stellungnahmen von ECHA und EFSA stehen im Widerspruch zum Standpunkt der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation, welche den Goldstandard der Krebsrisikobewertung darstellt.

 

Im März 2017 hat jedoch ein Fall am Bundesgericht in San Francisco Zweifel an der Schlussfolgerung über die Sicherheit und das Wesen der diesbezüglichen wissenschaftlichen Beweise aufgeworfen. Das Gericht hat Dokumente offengelegt, die die Sicherheit und die Forschungspraktiken von Monsanto in Frage stellen.

 

Konkret legen Aufzeichnungen über Monsantos interne E-Mails und E-Mails zwischen dem Unternehmen und den bundesstaatlichen Regulierungsbehörden nahe, dass Monsanto Forschungsberichte hat schreiben lassen, die später Wissenschaftlern zugeschrieben wurden.

 

Die aktuelle Zulassung der Europäischen Union für Glyphosat wird gemäß der Pflanzenschutzmittelverordnung (EG) Nr. 1107/2009  binnen sechs Monaten ab dem Datum auslaufen, an dem die EU-Kommission die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur erhält, oder aber am 31. Dezember 2017 (es gilt der spätere der beiden Zeitpunkte).

Beteiligte Abgeordnete
Delegationsleiterin
Mitglied
Belgien