Nach 18 Monaten Untersuchungen, Anhörungen und Erkundungsmissionen zu den Panama Papers hat das Europäische Parlament heute über 200 starke und konkrete Empfehlungen zur Bekämpfung der internationalen Steuerhinterziehung, des Steuerbetrugs und der Geldwäsche vorgelegt. Darunter sind zahlreiche sozialdemokratische Vorschläge wie die Abkehr vom Prinzip der Einstimmigkeit bei Entscheidungen im Steuerbereich und die Einführung von Sanktionen für Leute und Unternehmen, die in Geschäfte mit Steueroasen verwickelt sind. Allerdings bedauert die Sozialdemokratische Fraktion, dass ihre Vorschläge zur Erstellung einer Liste von Steueroasen in der EU ähnlich jener, die die EU-Finanzminister für Drittländer beschlossen haben, sowie zur Einführung eines effektiven Mindestsatzes für die Körperschaftssteuer nicht angenommen wurden, weil die Abgeordneten der rechten Fraktionen dagegen stimmten.

 

Der Vizevorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion und Mitverfasser des Berichts des Panama-Papers-Untersuchungsausschusses, Jeppe Kofod, sagte dazu:

„Die Panama Papers haben aufgedeckt, dass eine globale, korrupte Elite von Politikern, Prominenten und großen Unternehmen sich über alle Steuergesetze stellen kann. Viele von ihnen haben die Dienste von Steuerberatern in Anspruch genommen, um das Zahlen von Steuern zu vermeiden, Geld zu verstecken oder sich an Geldwäsche oder anderen kriminellen Aktivitäten zu beteiligen.

Das ist äußerst schädlich für unsere Demokratie und für das Vertrauen der Bevölkerung. Wir müssen im Namen unserer Bürgerinnen und Bürger handeln und den Saustall, den wir in den Panama Papers gesehen haben, ausmisten. Unsere Schlussfolgerungen sind eindeutig. Die EU-Gesetzgebung zur Geldwäsche wurde von einigen Mitgliedsstaaten nicht ordnungsgemäß umgesetzt oder von der EU-Kommission nicht ordnungsgemäß durchgesetzt. Darüberhinaus steckt die EU im Bereich der Besteuerung in einem krankhaften Wettlauf nach unten und einer mangelhaften Umsetzung unserer eigenen EU-Rechtsvorschriften fest.

Wir brauchen mehr Steuertransparenz und müssen mit der Geheimhaltung und den Steueroasen Schluss machen. Der Finanzministerrat muss seine geschlossenen und geheimen Arbeitsgruppen öffnen. Die Finanzminister sollten der Bevölkerung Rechenschaft über ihre Taten – und über ihre Tatenlosigkeit – ablegen müssen. Länder, die Fortschritte im Steuerbereich blockieren, müssen beim Namen genannt und an den Pranger gestellt werden. Steuerberater müssen mit wirklichen Sanktionen rechnen, wenn sie in illegale Aktivitäten verstrickt sind.

Jetzt ist die Zeit, um zu handeln. Wir wollen ein Ende des Abwärtswettlaufs im Steuerbereich in der EU. Allerdings ist dieses Parlament in der Frage gespalten, mit welchen Mitteln Fortschritte in der Steuerpolitik erreicht werden sollen. So ging beispielsweise die Abstimmung über den Vorschlag, einen effektiven Mindestsatz für die Körperschaftssteuer einzuführen, ganz knapp verloren.“

 

Der sozialdemokratische Fraktionssprecher im Panama-Papers-Untersuchungsausschuss, Peter Simon, ergänzte:

„Unsere Arbeit zeigt, dass die Liste der Mängel lang ist und Fragen wie die unzureichende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten, chronische Unterfinanzierung und Personalmangel bei den Aufsichtsbehörden sowie eine mangelhafte Umsetzung und Anwendung von Gesetzen und Sanktionen umfasst. Diese Mängel müssen so bald wie möglich behoben werden.

Der endgültige Bericht ist nur eine Momentaufnahme der heutigen Situation. Ständig tauchen neue Fälle und Entwicklungen im Bereich der Geldwäsche, der Steuerhinterzieung und der Steuervermeidung auf. Diese Fälle sollten ebenfalls ordnungsgemäß untersucht werden. Daher begrüßen wir, dass die anderen Fraktionen sich unserer Forderung nach einem Sonderausschuss für die Paradise Papers und langfristig nach einer ständigen Struktur angeschlossen haben, die es ermöglichen würde, die Ermittlungen fortzuführen und den Druck auf die Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten.“

 

Dies sind die wichtigsten Empfehlungen der S&D Fraktion:

  • eine öffentliche und nach Ländern gegliederte Rechnungslegung als Transparenzmaßnahme ist ein Schlüsselelement, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen und die Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht multinationaler Unternehmen zu gewährleisten
  • eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, um sicherzustellen, dass Gewinne dort besteuert werden, wo der wirtschaftliche Wert geschaffen wird
  • die Beendigung des Einstimmigkeitsprinzips, das viele Steuerreformen in der EU blockiert, und die Anwendung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens mittels Artikel 116 (Lissabon-Vertrag) oder einer Übergangsklausel
  • eine schwarze EU-Liste von Steueroasen mit rigorosen und abschreckenden Sanktionen
  • eine Reform der Ratsarbeitsgruppe Verhaltenskodex, um Transparenz und effiziente Kontrolle der Steuerpolitiken der EU-Mitgliedsstaaten zu gewährleisten
  • eine stärkere Regulierung der Mittelsleute, einschließlich des Entzugs der Geschäftslizenz, wenn ein Unternehmen oder eine Anwaltskanzlei erwiesenermaßen in Steuerhinterziehung, Steuervermeidung oder Geldwäsche verwickelt ist
  • Schutz für Hinweisgeber (Whistleblower) und Enthüllungsjournalisten
  • ein öffentliches Verzeichnis der wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen
  • strengere Vorschriften zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung – einschließlich einer Umschaltklausel
  • stärkere internationale Zusammenarbeit durch einen Weltgipfel und eine UNO-Steuerbehörde
  • eine zügige Umsetzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, da jedes Jahr 50 Milliarden Euro an Steuern durch grenzübergreifenden Betrug verloren gehen