Nach neuen Enthüllungen über massive Steuerhinterziehungsschemen im globalen Maßstab – die sogenannten Paradise Papers – fordert die Sozialdemokratische Fraktion (S&D) im Europäischen Parlament die EU-Regierungen auf, den Stillstand bei wichtigen EU-Entscheidungen über die Reform der Mehrwertsteuer, die Steuertransparenz von Unternehmen und eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage für multinationale Konzerne zu überwinden.

 

Der sozialdemokratische Fraktionssprecher im Panama-Papers-Untersuchungsausschuss, Peter Simon, erklärte dazu:

 

„Nach den LuxLeaks- und Panama-Papers-Enthüllungen erhalten wir einen weiteren tiefen Einblick in das Paralleluniversum der Steuervermeidung mit seinen eigenen Gesetzen zum Nutzen einer winzigen Minderheit und zum Nachteil der großen Mehrheit. Illegitime Steuervermeidung ist kein Kavaliersdelikt und muss illegal werden! Das Wirtschaftsmodell ‚Steueroasen‘ muss beendet werden! Das mag offensichtlich erscheinen, aber die Wirklichkeit sieht derzeit ganz anders aus. Bisher konnten sich die Mitgliedsstaaten nicht auf Maßnahmen einigen, damit diese Länder automatisch auf schwarze Listen von Steueroasen gesetzt werden. Das muss sich sofort ändern!

 

Schon seit einiger Zeit gibt es Gesetzesvorschläge für den Kampf gegen Steuerhinterziehung, für mehr Transparenz und für die Schließung von Steuerschlupflöchern, die von der Sozialdemokratischen Fraktion unterstützt werden. Doch die Mitgliedsstaaten wenden ihre üblichen Verzögerungstaktiken bei der Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage an, die gewährleisten würde, dass Gewinne in dem Land besteuert werden, wo sie erwirtschaftet wurden. Dasselbe gilt für die Einführung der öffentlichen und nach Ländern aufgegliederten Rechnungslegung für multinationale Unternehmen, damit diese offenlegen müssen, wo sie ihre Gewinne machen und welche Steuern sie auf diese Gewinne zahlen.

Die neuesten Enthüllungen sind höchstwahrscheinlich nur die Spitze eines weiteren riesigen Eisbergs. Das Europäische Parlament hat mit seinen beiden Untersuchungsausschüssen zum LuxLeaks-Skandal und dem Panama-Papers-Ausschuss bewiesen, das es bereit ist, Druck auf die Mitgliedsländer auszuüben und an vorderster Front gemeinsam gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche in und außerhalb der Europäischen Union zu kämpfen. LuxLeaks, Panama Papers und Paradise Papers beweisen uns, dass das Europaparlament etablierte und ständige Strukturen für ernsthafte Ermittlungen benötigt, zumal der Kampf gegen diese Missstände lang sein wird.“ 

 

Der sozialedemokratische Mitberichterstatter des Europaparlaments für die Panama Papers, Jeppe Kofod, sagte:

„Es ist klar, dass wir im Europäischen Parlament eine neue Struktur brauchen, um diesen zutiefst beunruhigenden Enthüllungen auf den Grund zu gehen. Wir haben im Panama-Papers-Ausschuss enorme Arbeit geleistet, aber es ist offensichtlich, dass unsere Arbeit noch lange nicht getan ist.

Die entsetzlichste Enthüllung ist, dass die meisten dieser Strukturen, wenn nicht gar alle, technisch gesehen legal sind. Das zeigt, wie dringend notwendig eine internationale Steuerreform ist, angefangen mit scharfen Sanktionen gegen jene, die aggressive Steuerplanung und Steuervermeidungssysteme nutzen, konzipieren oder davon profitieren.

Neben den internationalen Steuerreformen wollen wir in der EU-Kommission ein EU-Zentrum für kohärente Steuerpolitik fordern, das die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Steuerbehörden koordinieren und stärken soll.

Wir fordern den Ministerrat und die Kommission auf, einen weltweiten Gipfel zur Steuerhinterziehung und Steuervermeidung anzustoßen, der so bald wie möglich in Europa stattfinden soll.“

 

Die wirtschafts- und währungspolitische S&D Fraktionssprecherin Pervenche Berès fügte hinzu:

„Seit LuxLeaks vor drei Jahren haben wir wiederholt gefordert, dass Steueroasen geschlossen werden und das internationale Steuersystem repariert wird. Unter dem Druck des Europäischen Parlaments hat die EU-Kommission zahlreiche Vorschläge vorgelegt, die zu einigen Beschlüssen geführt haben. Einige davon werden 2018 oder 2019 in Kraft treten. Es wird unsere Aufgabe sein, zu überprüfen, dass sie korrekt umgesetzt werden.

Es bleibt aber noch viel zu tun. Unsere Anstrengungen werden durch die Tatsache unterminiert, dass jede Entscheidung im Steuerbereich die Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten erfordert. Einige EU-Länder leisten noch immer starken Widerstand gegen Fortschritte bei der Steuerpolitik. Wenn wir eine stärkere unternehmerische Steuertransparenz, ein gemeinsames europäisches Körperschaftssteuersystem oder eine gemeinsame EU-Liste von Steueroasen haben wollen, müssen die Mitgliedsstaaten das Einstimmigkeitsprinzip bei der Steuerpolitik aufgeben. Ansonsten werden wir auch weiterhin neue Staffeln der Seifenoper Paradise Papers sehen.“