Das Europäische Parlament fordert Maßnahmen, um der weitverbreiteten Praxis missbräuchlicher Klagen (strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung, sogenannte SLAPPs) ein Ende zu setzen, die darauf abzielen, Journalisten und die Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen.

Bei der heutigen Plenarabstimmung forderten die Abgeordneten mit 444 Ja-Stimmen EU-weite Anti-SLAPPs-Gesetze sowie klare Regeln für die Zuständigkeit für Verleumdungsklagen, um diesem zunehmenden Phänomen Einhalt zu gebieten, das die Medien- und Meinungsfreiheit in der EU bedroht.

Heute um 14:00 Uhr wird der sozialdemokratische Berichterstatter Tiemo Wölken an einer Pressekonferenz im Anna-Politkowskaja-Pressekonferenzraum in Brüssel teilnehmen. Möglich sind physische und Online-Teilnahme. Die Pressekonferenz wird live im Web gestreamt, und Journalisten können über Interactio online Fragen stellen.

Tiemo Wölken, Berichterstatter im Rechtsausschuss und rechtspolitischer Sprecher der S&D Fraktion, sagte dazu:

„Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung sind eine Bedrohung für die Rechtsstaatlichkeit und untergraben ernsthaft die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung, Information und Vereinigung, noch bevor sie verwirklicht werden. Sie sind eine Form der juristischen Schikane und ein Missbrauch des Justizsystems, die zunehmend von mächtigen Privatpersonen und Organisationen genutzt wird, die versuchen, öffentliche Kontrolle zu vermeiden und diejenigen, die sie durchführen, davon abzuhalten. Das Ziel einer SLAPP ist nicht, die Klage zu gewinnen, sondern Journalisten und Aktivisten einzuschüchtern und davon abzuhalten, Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen, was folglich zu Selbstzensur führt. Für uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen ist klar: Unsere Gerichte dürfen nicht als Spielwiese für mächtige Privatpersonen, Unternehmen und Politiker betrachtet werden. Unsere Gerichte sollten nicht zum persönlichen Vorteil überlastet oder missbraucht werden.

Als Sozialdemokratische Fraktion ist es uns gelungen, den Anwendungsbereich auf alle Akteure der Öffentlichkeitsbeteiligung auszudehnen. Journalisten und ihre Arbeit müssen geschützt werden. Sie sind jedoch nicht die einzigen Ziele dieser Klagen. Wir haben eine Reihe von legislativen, aber auch nichtlegislativen Maßnahmen zusammengestellt, wie die Einrichtung eines soliden Unterstützungsfonds oder die Einführung einer wirksamen Rechtshilfe, Informationen und praktische Beratung und Unterstützung durch eine zentrale Anlaufstelle für ‚Erste Hilfe‘ an SLAPP-Opfer. Mit diesem Initiativbericht fordern wir die Kommission auf, sehr konkrete und machbare Maßnahmen vorzulegen, auch in Bezug auf Verleumdungsklagen-Tourismus und Forum Shopping, also die missbräuchliche Wahl des Gerichtsstands.“

Łukasz Kohut, Berichterstatter der S&D Fraktion für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, sagte:

„Die Reichen und Mächtigen, einschließlich Regierungsmitglieder, haben endlose Ressourcen, um den Journalismus zu schwächen und Kritiker durch missbräuchliche Klagen zum Schweigen zu bringen. Zu viele Journalisten, Medien und Nichtregierungsorganisationen sehen sich durch den Einsatz dieser gezielten Klagen regelmäßig mit Verleumdungskampagnen konfrontiert. Aber niemand sollte rechtliche Konsequenzen fürchten, wenn er die Wahrheit sagt. Aus diesem Grund hat das Europäische Parlament mit Hochdruck gearbeitet, um die Stimme derjenigen zu stärken, die sich für die Wahrheit einsetzen, und um missbräuchlichen Klagen ein Ende zu setzen.

Kein Versuch, Journalisten oder die Zivilgesellschaft zu schützen, ist zu viel. Da die Medienfreiheit in der EU ohnehin schon stark unter Druck ist, muss die Kommission Vorschläge auf den Tisch legen, die verbindliche Schutzmaßnahmen für Opfer von SLAPPs beinhalten. EU-weit müssen die nationalen Regierungen auch die Empfehlungen des Europarats zum Schutz und zur Sicherheit von Journalisten vollständig umsetzen. Wir müssen handeln, um allen gefährlichen Versuchen entgegenzuwirken, die Medienfreiheit und die Demokratie in der EU zu untergraben.“

Hinweis für die Redaktion

Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPPs) sind eine Form von Vergeltungsklagen, die darauf abzielen, die Meinungs-, Informations- und Vereinigungsfreiheit in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse einzuschränken. Im Jahr 2021 stellte der Menschenrechtskommissar des Europarats fest, dass das Problem der SLAPPs zunimmt und die Meinungsfreiheit in Europa bedroht.

Beteiligte Abgeordnete
Koordinator
Deutschland
Mitglied
Polen