Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament verurteilt heute den Vorschlag der EU-Kommission, auf Antrag der Mitgliedsstaaten die Aussetzung der EU-Asylvorschriften an der Grenze zu Belarus zuzulassen.

Die S&D Abgeordneten sind der Ansicht, dass die heute vorgeschlagenen Notmaßnahmen, die die De-facto-Inhaftierung von Asylbewerbern beinhalten, als Deckmantel verwendet werden, um nationalen Behörden zu ermöglichen, Angst vor einer Migrationskrise zu verbreiten und eine innenpolitische Agenda voranzutreiben. Die S&D Fraktion fordert die Kommission nachdrücklich auf, sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen, das Recht auf Asyl in der EU zu garantieren. Insbesondere fordert sie die polnischen Behörden auf, Transparenz an der Grenze zu gewährleisten, indem sie Journalisten Zugang zur Berichterstattung gewähren.

Bevor der Beschluss in Kraft tritt, muss das Europäische Parlament zunächst im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und dann im Plenum seine Stellungnahme zum Vorschlag der Kommission abgeben.

Birgit Sippel, sozialdemokratische Fraktionssprecherin für Justiz und Inneres, sagte dazu:

„Vizepräsident Margaritis Schinas sagte heute, er wolle unerbittlich gegen Belarus sein. Doch die von der Kommission vorgeschlagenen Notmaßnahmen sind in Wirklichkeit unerbittlich gegen gefährdete Menschen, die Schutz suchen. Die Maßnahmen spielen direkt in die Hände der Regierungen, die die Notlage schutzbedürftiger Migranten nutzen wollen, um Angst und Schrecken vor einer Migrationskrise an den EU-Grenzen zu verbreiten.

Wir haben das belarusische Regime zu Recht dafür kritisiert, dass es schutzbedürftige Migranten benutzt, um eine humanitäre Notlage herbeizuführen und daraus politisches Kapital zu schlagen. Die heutigen Vorschläge sollen EU-Regierungen wie Polen zufriedenstellen, die versuchen, dieselben schutzbedürftigen Menschen zu benutzen, um ihre eigene Anti-Migrations-Agenda voranzutreiben. Die Maßnahmen zur Aussetzung des EU-Asylrechts sind besorgniserregend und extrem. Wenn beispielsweise Asylbewerber bis zu 16 Wochen lang festgehalten werden, wird dies zur willkürlichen Inhaftierung von Menschen führen, die internationalen Schutz suchen. Asyl zu beantragen ist ein Recht, kein Verbrechen, und Menschen sollten niemals wahllos und ohne Grund eingesperrt werden. Der heutige Schritt der Kommission ist besorgniserregend und birgt das Risiko, dass die EU sich an gefährlicher Panikmache beteiligt.“

Juan Fernando López Aguilar, sozialdemokratischer Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, sagte:

„Bei diesen überzogenen und unverhältnismäßigen Maßnahmen muss das Europäische Parlament mitreden, und wir werden uns mit Kritik nicht zurückhalten. Die sinkende Zahl von Asylsuchenden an der EU-Grenze zu Belarus rechtfertigt in keiner Weise, dass Regierungen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen aufgeben, Zugang zu Asyl zu gewähren. Es gibt auch keinen Grund, vor der illegalen Praxis von Pushbacks die Augen zu verschließen.

Die PiS-Regierung in Polen, die bereits wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit in der EU im Scheinwerferlicht steht, ist eine der treibenden Kräfte hinter dem Kommissionsvorschlag. Es ist sehr besorgniserregend, dass die Kommission bereit ist, nach der Pfeife der PiS-Regierung zu tanzen, die die Aussetzung der Asylbestimmungen der EU fordert. Dies umso mehr nach dem gestrigen Beschluss im polnischen Parlament, Medien und Nichtregierungsorganisationen den Zugang zum Grenzgebiet zu verbieten. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres wird in den kommenden Wochen alle unsere Bedenken und Kritikpunkte in unserer Stellungnahme darlegen, und wir hoffen, dass der Rat dies zur Kenntnis nimmt.“

Hinweis für die Redaktion

Gemäß Artikel 78 Absatz 3 der EU-Verträge kann die EU-Kommission in Migrations-Notsituationen an den Außengrenzen der EU vorläufige Maßnahmen vorschlagen. Das Europäische Parlament muss konsultiert werden, bevor der Rat diese vorgeschlagenen vorläufigen Maßnahmen erlassen kann.

Beteiligte Abgeordnete
Koordinatorin
Deutschland