Heute stimmte der außenpolitische Ausschuss des Europäischen Parlaments über seinen jährlichen Bericht über die Türkei ab. In diesem von der sozialdemokratischen Abgeordneten Kati Piri verfassten Bericht fordert das Europaparlament die Mitgliedsstaaten auf, die Beitrittsverhandlungen mit Ankara formell auszusetzen, weil es in den letzten Jahren in der Türkei krasse Rückschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu verzeichnen gab. Gleichzeitig wird jedoch der Wille geäußert, die Brücken zu den Bürgerinnen und Bürgern der Türkei aufrechtzuerhalten und die Zivilgesellschaft weiter zu unterstützen.

Der letzte Bericht des Europaparlaments hatte eine klare rote Linie gezogen: Wenn das Verfassungsreformpaket, das die Ausweitung der Machtbefugnisse des Staatspräsidenten beinhaltet, in unveränderter Form umgesetzt wird, sollten die Beitrittsgespräche mit der Türkei sofort ausgesetzt werden. Das war leider der Fall.

 

Die sozialdemokratische Türkei-Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, Kati Piri, sagte dazu:

„Der rasante Verfall der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei spiegelt sich auch im Standpunkt des Europäischen Parlaments zum Beitrittsprozess wider. Angesichts der eklatanten Menschenrechtsverletzungen, der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz und der Umsetzung einer neuen Verfassung, der es an entscheidenden Kontrollmöglichkeiten fehlt, hat es keinen Sinn, mit der derzeitigen Regierung weiter über die EU-Mitgliedschaft zu verhandeln. Wenn ein Kandidatenland entscheidende rote Linien überschreitet, muss es auch politische Konsequenzen geben.

Das bedeutet nicht, dass wir der Türkei alle Türen verschließen wollen. Die Europäische Union muss alles tun, um die Zivilgesellschaft, die Journalisten und die Menschenrechtsverteidiger im Land zu unterstützen. Die Tür zur Modernisierung der bestehenden Zollunion muss offen bleiben, solange die Einhaltung der Grundrechte eine Grundvoraussetzung ist. Und wenn alle technischen Kriterien erfüllt sind, muss das Reisen ohne Visum für die türkischen Bürgerinnen und Bürger ermöglicht werden.“

 

Hinweis für die Redaktion:

Das im Artikel 5 des Verhandlungsrahmens für die Türkei dargelegte Verfahren für die Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen schreibt vor: „Im Falle einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet – Freiheit, Demokratie, Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit – in einem Bewerberland wird die Kommission von sich aus oder auf Antrag von einem Drittel der Mitgliedsstaaten die Aussetzung der Verhandlungen empfehlen und die Bedingungen für eine spätere Wiederaufnahme vorschlagen.“

S&D-Pressekontakt(e)