Um den Zugriff von Ermittlungsbehörden auf elektronische Beweismittel zu verbessern, hatte die
EU-Kommission im Jahr 2018 EU-Regeln zur grenzüberschreitenden Herausgabe und Sicherung
elektronischer Beweismittel vorgelegt. Nach eineinhalb Jahren intensiver Verhandlungen erreichten
das Europäische Parlament und der Rat am Dienstag eine politische Einigung über die Kernelemente
des Rahmens für die Erhebung und Sicherung sogenannter elektronischer Beweismittel („e-
evidence“).

Die Verhandlungsführer der EU werden in den kommenden Wochen die technischen Punkte des
Gesetzespakets klären, bevor die endgültigen Texte für die Verordnung und die dazugehörige
Richtlinie im Herbst vom Parlament und vom Rat verabschiedet werden können.

Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokratischen Fraktion und
Verhandlungsführerin des Parlaments, sagte dazu:

„Unser Alltag verschiebt sich immer häufiger in die Welt des Internets, und auch Straftaten werden
zunehmend online begangen. Elektronische Beweismittel spielen daher bei den Ermittlungen und
Strafverfahren der Behörden eine immer wichtigere Rolle. Da Beweismittel oft bei Dienstanbietern
wie sozialen Netzwerken gespeichert werden, die ihren Sitz in anderen Mitgliedsstaaten haben, kann
der Zugriff darauf ein langwieriger und umständlicher Prozess sein, und Daten werden dabei allzu oft
gelöscht.

Die heute gefundene vorläufige Einigung bedeutet einen Paradigmenwechsel in der
Zusammenarbeit von Polizei und Justiz mit Dienstanbietern in der EU: Erstmals werden nationale
Ermittlungsbehörden die Möglichkeit haben, Dienstanbieter in anderen EU-Mitgliedsstaaten direkt
zur Herausgabe oder Sicherung elektronischer Beweismittel aufzufordern, durch
Herausgabeanordnungen mit klaren Fristen und EU-weit einheitlichen Regeln. Die direkte
Zusammenarbeit zwischen Behörden eines Mitgliedsstaats und dem Dienstanbieter in einem
anderen Mitgliedsstaat bringt zwar eine Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender
strafrechtlicher Ermittlungen, birgt aber auch eine Reihe von Risiken im Zusammenhang mit dem
Schutz von Grundrechten, insbesondere der Privatsphäre und des Datenschutzes, aber auch von
Verfahrensrechten aufgrund der Unterschiede im Strafrecht innerhalb der EU.

Als langjährige Verfechterin der Notifizierung von Herausgabeanordnungen, vor allem wenn
personenbezogene Daten gefährdet sind, habe ich mich dafür eingesetzt, dass die
Ermittlungsbehörden die Behörden des anderen Mitgliedsstaats informieren und ihnen die
Möglichkeit geben müssen, eine Anordnung unter bestimmten Umständen zu verweigern,
insbesondere wenn Grundrechte auf dem Spiel stehen. Die beharrliche Position des Parlaments in
den Verhandlungen wird bedeuten, dass effizientere strafrechtliche Ermittlungen und der Schutz der
Grundrechte Hand in Hand gehen und personenbezogene Daten nur für bestimmte Zwecke in
strafrechtlichen Ermittlungen sicher übermittelt werden.“

Hinweis für die Redaktion

In den Verhandlungen über elektronische Beweismittel hat das Parlament die folgenden wichtigen
Garantien erreicht:

 Bei Herausgabeanordnungen zu Verkehrs- und Inhaltsdaten wird, wenn diese Daten nicht
nur zur Identifizierung einer Person angefordert werden, auch der Mitgliedsstaat, in dem der
Dienstanbieter sitzt, zeitgleich über die Anordnung informiert („notifiziert“), es sei denn, die
der Straftat beschuldigte Person hat ihren ständigen Wohnsitz im Ausstellungsstaat und die
Straftat wurde oder wurde wahrscheinlich ausschließlich im Ausstellungsstaat begangen. Die
notifizierte Behörde kann die Anordnung dann innerhalb von 10 Tagen oder bei einem
Notfall 8 Stunden unter Angabe von Gründen verweigern. Der Dienstanbieter muss die
Daten während dieser Zeit sichern, kann sie aber erst nach Ablauf der Fristen herausgeben,
sofern keine Verweigerung vorliegt.

 Wenn die Straftat, zu der ermittelt wird, im Land des Dienstanbieters keine Straftat ist,
würde dies in die Liste der möglichen Verweigerungsgründe aufgenommen. Wenn die
Herausgabe der Daten eine Verletzung der in der EU-Grundrechtecharta und den EU-
Verträgen verankerten Grundrechte darstellen würde, wäre dies ebenfalls ein
Ablehnungsgrund. Da die Wahrscheinlichkeit von Grundrechtsverletzungen durch Behörden,
die Gegenstand eines laufenden Rechtsstaatlichkeitsverfahrens sind, höher ist, siehe z. B.
Polen und Ungarn und das sogenannte Artikel-7-Verfahren, unterstreichen spezielle
Bestimmungen, dass in diesen Fällen eine Herausgabeanordnung auf der Grundlage einer
vermuteten Grundrechtsverletzung verweigert werden kann.

 Nach den vorläufigen Regeln können Dienstanbieter Herausgabeanordnungen nicht nur der
Anordnungsbehörde, sondern auch den Behörden des Landes, in dem sie ihren Sitz haben,
zur Kenntnis bringen, beispielsweise wenn sie die Medienfreiheit einschränken.

 Auf Druck des Parlaments wurde das Gesetzespaket mit dem geltenden EU-
Datenschutzrecht in Einklang gebracht. Beispielsweise müssen Anordnungen grundsätzlich
an Datenverantwortliche gesendet werden und können nur unter bestimmten Bedingungen
an Datenverarbeiter gerichtet werden. Besonders bei sensiblen Daten wie Gesundheitsakten
ist das äußerst wichtig.

 Schließlich einigten sich die Mitgesetzgeber allgemein auf den Rahmen für eine EU-weite
Plattform, über die die Anordnungen an die Dienstanbieter, aber auch die an die Behörden
gesendeten Daten übermittelt werden. Nur durch eine solche EU-Plattform können
Dienstanbieter sicher sein, dass eine Anordnung echt und nicht gefälscht ist, und kann
gewährleistet werden, dass vertrauliche Daten zuverlässig und sicher mit den
Ermittlungsbehörden geteilt werden.

Beteiligte Abgeordnete
Koordinatorin
Deutschland