Das Europäische Parlament war schon vor zwei Monaten, mit einem starken Mandat ausgestattet, für die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten über asbestfreies Arbeiten bereit. Die Verhandlungspositionen lagen jedoch weit auseinander. Heute haben die EU-Gesetzgeber unerwartet den Moment genutzt, um sich im Rahmen der schwedischen Ratspräsidentschaft über die neugefassten EU-Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer vor Asbest zu einigen. Dies bedeutet eine deutliche Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten, die mit Asbest in Berührung kommen.

Basierend auf der Technik, die zur Ermittlung der Exposition gegenüber Asbest verwendet wird, wurde ein guter Kompromiss erzielt. Derzeit kommen in der EU zwei verschiedene Arten von Elektronenmikroskopen für die Messung von Asbestfasern in der Luft zum Einsatz. Die heute erzielte Einigung erlaubt es den Mitgliedstaaten, beide Mikroskoptypen weiterzuverwenden oder anzuschaffen, wobei den Beschäftigten ein gleichwertiger Schutz gewährleistet werden muss. Bei der Transmissionselektronenmikroskopie, die feine Fasern erfasst, sind die Grenzwerte auf 10.000 Fasern pro Kubikmeter angesetzt, bei der Rasterelektronenmikroskopie, die dickere Fasern aufspürt, sind es 2000 Fasern pro Kubikmeter. Für einige der vereinbarten Maßnahmen besteht eine Übergangsfrist von sechs Jahren.

Marianne Vind, sozialdemokratische Verhandlungsführerin für die EU-Asbestrichtlinie, sagte:

„Es gibt keine sicheren Expositionswerte für Asbest. Der Vorschlag der Kommission hat jedoch dafür gesorgt, dass die jetzige Situation verbessert wird. Da ein rasanter Anstieg bei der Exposition gegenüber Asbest erwartet wird, ist das Parlament aber der Ansicht, dass wir mehr tun müssen. In der EU werden in den nächsten 30 Jahren im Zuge einer Sanierungswelle voraussichtlich 220 Millionen Gebäude renoviert, um sie bis 2050 klimaneutral zu machen.

Zusätzlich zum Expositionsgrenzwert wollten wir daher etliche weitere Verbesserungen sehen. Was wir erreicht haben, sind strengere und präzisere Vorschriften zum Schutz und zur persönlichen Schutzausrüstung, zu Schulungen, Meldungen, Dekontaminierung und medizinischer Überwachung sowie eine Aktualisierung der Liste asbestbedingter Erkrankungen. Ein wichtiger Erfolg der sozialdemokratischen Familie ist auch die Begrenzung der Einkapselung oder Versiegelung von Asbest. Die erste Wahl sollte stets die Asbestentfernung sein. Um dies zu erreichen, ist ein Screening obligatorisch. Zudem konnten wir die Anerkennung durchsetzen, dass Beschäftigte wie Lehrkräfte oder Personen, die in Gebäuden arbeiten, in denen Asbest zerfällt oder aufgrund von Reparatur- oder Bauarbeiten freigesetzt wird, ein hohes Risiko passiver Exposition tragen und Familienangehörige von Arbeitnehmern, die kontaminierte Kleidung mit nach Hause bringen, einer Sekundärexposition ausgesetzt sein können. Zu guter Letzt wir haben dafür gesorgt, dass eine sporadische oder geringe Exposition nicht als Ausrede dafür herhalten kann, die Beschäftigten nicht maximal zu schützen.“

Agnes Jongerius, beschäftigungspolitische Sprecherin der S&D-Fraktion, fügte hinzu:

„Der Arbeitsschutz hat für uns seit jeher höchste Priorität. Strenge europäische Vorschriften zum Umgang mit Asbest am Arbeitsplatz sind ein wichtiger Teil unserer Arbeitsschutzbemühungen, allerdings muss noch weit mehr geschehen, um Asbest aus Europa und der Welt zu verbannen.

Wir erwarten jetzt von der Kommission, dass sie unverzüglich die angekündigten Gesetzesvorlagen für die obligatorische Überprüfung und Registrierung von Asbest in Gebäuden und zur Überarbeitung des EU-Protokolls über die Bewirtschaftung von Bau- und Abbruchabfällen sowie einen Leitfaden für Abfallprüfungen vor Abbruch- und Renovierungsarbeiten an Gebäuden vorlegt, wobei das Thema Asbest bei Renovierungsarbeiten im Fokus stehen sollte.

Jedes Jahr sterben rund 250.000 Menschen in der Welt aufgrund einer Asbestexposition. Unser oberstes Ziel ist daher ein weltweites Verbot. Nur ein asbestfreies Arbeiten ist sicheres Arbeiten, und nur eine asbestfreie Welt ist eine sichere Welt.“

Hinweis für die Redaktion:

Obwohl Asbest in der Europäischen Union seit 2005 verboten ist und in vielen Mitgliedstaaten schon davor verboten war, ist Asbest weiterhin in zahlreichen zuvor errichteten Gebäuden vorhanden. In der EU gehen 80 % aller berufsbedingten Krebserkrankungen erwiesenermaßen auf Asbest zurück.

Es wird geschätzt, dass 4,1 bis 7,3 Millionen Menschen bei der Arbeit mit Asbest in Berührung kommen. 97 % davon sind im Baugewerbe und in angeschlossenen Berufen, etwa als Dachdecker, Installateur, Zimmerer oder Bodenleger, oder im Feuerwehrdienst tätig, 2 % arbeiten in der Abfallwirtschaft.

Daten von 2019 zufolge führt die berufsbedingte Exposition gegenüber Asbest zu rund 88.000 Todesfällen jährlich, eine Zahl, die gegen Ende der 2020er Jahre und in den 2030er Jahren vermutlich steigen wird.

Selbst Menschen, die mit nur geringen Mengen von Asbest in Kontakt kommen oder einer passiven oder sekundären Exposition unterliegen, haben ein erhöhtes Krebsrisiko.

Die jährlichen Kosten berufsbedingter Krebserkrankungen in der EU werden auf zwischen 270 und 610 Milliarden Euro geschätzt, das sind zwischen 1,8 % und 4,1 % des BIP.

Die EU-Kommission hat im September 2022 eine Überarbeitung der Richtlinie von 2009 vorgeschlagen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor asbestbedingten Gefahren schützen soll. Heute haben die EU-Gesetzgeber, also das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten, aufbauend auf dem Vorschlag der Kommission Übereinkommen erzielt. Das Ergebnis muss nun noch formell von beiden Seiten bekräftigt werden.

Beteiligte Abgeordnete
Delegationsleiterin
Koordinatorin
Niederlande
Mitglied
Dänemark
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