Mehr als drei Monate sind seit dem letzten gescheiterten Versuch der EU vergangen, sich auf die Umsetzung des globalen Abkommens über einen effektiven Mindeststeuersatz für multinationale Unternehmen in europäisches Recht zu einigen*. Damals legte die ungarische Regierung unter Viktor Orbán ihr Veto dagegen ein, obwohl sie zuvor auf globaler Ebene zugestimmt hatte. Und beim heutigen Treffen der EU-Finanzminister steht dieses brennende Thema nicht einmal auf der Tagesordnung. Während der Konsens über die Besteuerung überschüssiger Unternehmensprofite zunimmt, ist das Unvermögen der EU, ein Abkommen zur Besteuerung der regulären Gewinne multinationaler Unternehmen mit einem Steuersatz von 15% abzuschließen, einfach empörend, bedauert die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament.

Aurore Lalucq, steuerpolitische Sprecherin der S&D Fraktion, sagte dazu:

„Angesichts der hohen Inflation und des bevorstehenden Winters ist es völlig klar, dass alle Mitgliedsstaaten alle möglichen Steuereinnahmen benötigen werden, um die europäischen Bürgerinnen und Bürger vor den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine zu schützen. Es ist einfach unverantwortlich, dieses Thema nicht anzugehen.

Unsere Priorität ist die dringende Umsetzung einer sogenannten Windfall-Profit-Steuer, also einer Steuer auf Zufallsgewinne. Seit Monaten stehe ich in dieser Frage an vorderster Front, indem ich eine derartige Besteuerung von Sondergewinnen fordere. Der Vorschlag der EU-Kommission geht in die richtige Richtung, und wir begrüßen ihn.

Wir glauben aber, dass wir einen Schritt weiter gehen sollten, indem wir nicht nur Unternehmen des Energiesektors, sondern alle Unternehmen besteuern, die in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Krieg und Krise außerordentliche Profite gemacht haben.

Wir fragen die tschechische Ratspräsidentschaft, warum die Mindeststeuer für multinationale Unternehmen heute nicht auf der Tagesordnung der EU-Finanzminister steht. Nationale Vetos dürfen nicht für politische Abmachungen missbraucht werden. Es gibt Vorschläge, ohne Orbáns Ungarn voranzuschreiten. Was ist der nächste Schritt?

Wir haben immer wieder betont, dass wir in Steuerfragen von der Einstimmigkeit wegkommen müssen. Wir haben die Kommission aufgefordert, Artikel 116** zu nutzen, um diese Situation zu überwinden, und wir haben die Umsetzung des globalen Steuerabkommens im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit*** gefordert.“

Hinweis für die Redaktion:

* Im Oktober 2021 haben 137 Länder auf der ganzen Welt eine historische Einigung erzielt, um einen effektiven Mindeststeuersatz von 15% für Unternehmen einzuführen, der zum ersten Mal den globalen Steuerwettbewerb eindämmt. Dieses Abkommen, das im Rahmen der OECD/G20 geschlossen wurde, muss nun in europäisches Recht und in die Rechtsrahmen aller anderen Unterzeichnerstaaten umgesetzt werden. Es gibt noch immer keine Einigung über die Umsetzung dieses Abkommens in EU-Recht, die der EU jährlich 64 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen einbringen würde. Doch nachdem Polen kürzlich sein langjähriges Veto zurückgezogen hat, blockiert nun Ungarn das Abkommen. Dieses Veto stellt das Einstimmigkeitsprinzip in der Steuerpolitik ernsthaft in Frage.

** Artikel 116 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bezieht sich auf eine Bestimmung in den Verträgen, wonach in Fällen von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt die Einstimmigkeit durch die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit ersetzt werden kann.

*** Die verstärkte Zusammenarbeit ist ein Verfahren, das es mindestens neun EU-Mitgliedsstaaten ermöglicht, auf einem bestimmten Gebiet innerhalb der EU zusammenzuarbeiten, wenn sich die Union als Ganzes nicht innerhalb einer angemessenen Frist auf eine Zusammenarbeit einigen kann. Das Verfahren soll festgefahrene Situationen überwinden, wenn ein bestimmter Vorschlag von einem oder mehreren Mitgliedsstaaten blockiert wird. Dieses Verfahren wurde schon mehrfach angewandt, beispielsweise im Scheidungsrecht und im Patentwesen sowie zum Schutz der finanziellen Interessen der EU durch die Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft.

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Beteiligte Abgeordnete
Koordinatorin
Frankreich
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