Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament bedauert zutiefst, dass sich die EU-Mitgliedstaaten bei ihrem heutigen Treffen in Brüssel nicht auf eine gemeinsame Position zum besseren Schutz von Plattformbeschäftigten einigen konnten. Dieses Versäumnis folgt auf eine historische politische Einigung über eine richtungsweisende EU-Richtlinie für Plattformbeschäftigte am 13. Dezember 2023, der ein Verhandlungsmarathon im Europäischen Parlament in Straßburg vorausgegangen war. Unter der Führung der S&D-Fraktion und des spanischen Ratsvorsitzes war ein neuer globaler Maßstab für die Anpassung der Arbeitsrechte an das digitale Zeitalter ausgehandelt worden. Die S&D-Fraktion fordert die EU-Mitgliedsstaaten nun dazu auf, das Verhandlungsergebnis auf ihrer nächsten Sitzung zu billigen, da das Gesetz noch vor Ablauf der laufenden Legislaturperiode fertiggestellt werden muss, um den Schutz des europäischen Sozialmodells zu garantieren.

Elisabetta Gualmini, S&D-Vizevorsitzende und Berichterstatterin des Europäischen Parlaments für die neue EU-Richtlinie zur Plattformarbeit, sagte:

„Ich bin tief enttäuscht, dass es heute zu keiner Einigung gekommen ist, und schockiert, dass eine Handvoll EU-Mitgliedstaaten beabsichtigt, gegen dieses historische, ausgewogene und weitreichende Gesetz zum besseren Schutz von Plattformbeschäftigten zu stimmen. Die neue Richtlinie würde die Sozial- und Arbeitsrechte von 28 Millionen Gigworkern klar verbessern und sie vor Ausbeutung durch Uber, Deliveroo, Helpling und ähnliche Plattformbetreiber schützen. Gleichzeitig dient sie als Schutzschild für echte Selbstständige, deren Autonomie, Freiheit und Flexibilität sie wahrt, zudem schützt sie vorbildliche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vor unlauterem Wettbewerb.

Die Lobbyarbeit zu dem Gesetzesvorhaben war enorm. Die europäische Lobby der Plattformunternehmen ruft die Mitgliedstaaten sogar offen dazu auf, den Gesetzentwurf zu boykottieren. Viele dieser Unternehmen haben in den letzten Jahren Rekordumsätze auf dem Rücken ihrer Beschäftigten erwirtschaftet, die in vielen Fällen als Scheinselbstständige ohne soziale Absicherung für sie arbeiten. Wir appellieren an die Regierungen in der EU, nicht in die Falle der Lobbyisten zu tappen. Reine Lippenbekenntnisse zum sozialen Europa reichen nicht. Für ein soziales Europa sind konkrete Maßnahmen zum Schutz der Menschen und die Überführung unserer Gesetze ins digitale Zeitalter nötig. Es ist höchste Zeit, für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzutreten, vor allem der schwächsten unter ihnen. Das europäische Sozialmodell steht auf dem Spiel. Wenn wir die Plattformwirtschaft nicht regulieren, werden wir bald eine Plattformisierung der gesamten europäischen Wirtschaft sehen, die weitreichende Konsequenzen haben wird, etwa die Aushöhlung der Arbeitsrechte und fehlende soziale Sicherheit in Unternehmen, die sich ihrer Steuerpflicht entledigen. Die nationalen Regierungen müssen sich der Verantwortung für ihr Handeln stellen und diese Verantwortung auch spüren, so wie ich sie vom ersten Moment meiner Ernennung zur Berichterstatterin des Europäischen Parlaments gespürt habe.“

Hinweis für die Redaktion:

Heute arbeiten mehr als 28 Millionen Menschen in der EU über digitale Plattformen. Im Jahr 2025 werden es voraussichtlich 43 Millionen sein. Plattformbeschäftigte bieten ihre Dienste über eine App oder eine Website gegen Entgelt an. Viele Plattformbetreiber sehen diese Art der Arbeit zurzeit als Form atypischer Beschäftigung. Da die Sozial- und Arbeitsrechte von Personen, die über Apps und Websites arbeiten, nicht im normalen Arbeitsrecht verankert sind, genießen viele Plattformbeschäftigte weniger Schutz als Arbeitskräfte im Offline-Bereich. So entsteht ein unlauterer Wettbewerb zwischen der Gig Economy und herkömmlichen Unternehmen, zudem wird die volle Unabhängigkeit echter Selbstständiger gefährdet. 

Die neue Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit zielt vornehmlich darauf ab, die widerlegbare Vermutung der Beschäftigungsverhältnisse im EU-Recht zu verankern und die von digitalen Arbeitsplattformen verwendeten Algorithmen transparent zu machen. Erstere ist ein solider und ausgewogener Mechanismus, mit dem sich Scheinselbstständigkeit anhand der tatsächlichen Arbeitsbedingungen korrigieren lässt und der die Beweislast auf die Plattformunternehmen verlagert. Letzteres stellt sicher, dass die Funktionsweise der benutzten Algorithmen mit ihren Folgen für die Arbeitsbedingungen und die personenbezogenen Daten der Beschäftigten nicht länger im Dunkeln bleibt, sondern transparent wird und wie alle sonstigen Dinge, die sich auf die Arbeitsbedingungen auswirken und eine unrechtmäßige Datenverarbeitung verhindern können, Gegenstand von Tarifverhandlungen sein muss.

Beteiligte Abgeordnete
Vizevorsitzende
Italien
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