Welcher Aspekt der Wohnungskrise betrifft Sie selbst am meisten?
Choices

Die Wohnungskrise ist in vielen Kommunen ein drängendes Problem, das Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten trifft. Könnten Sie sich bitte einen Moment Zeit nehmen, um uns mitzuteilen, welcher Aspekt der Wohnungskrise Sie selbst am meisten betrifft?

Die Europäische Union sieht sich derzeit einer akuten Wohnungskrise gegenüber, die Menschen aus verschiedenen Einkommensgruppen trifft. Viele Gering- und Mittelverdiener sind durch hohe Mieten, überhöhte Kosten, mangelhafte Wohnbedingungen und das Risiko von Obdachlosigkeit oder Zwangsräumung verunsichert. Am stärksten betroffen sind Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit in Armut leben, Ältere, Alleinerziehende, junge Menschen sowie Migranten und Geflüchtete.

Ausschlaggebend für die Krise sind die wachsende sozioökonomische Ungleichheit, die verbreitete Finanzialisierung von Wohnraum und Boden sowie nicht nachhaltige Wohnsysteme, die Profit über die Menschenrechte stellen.

Unzulängliche Wohnverhältnisse beeinträchtigen die Menschen in ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit, ihrer Lebensqualität und Würde und in ihrem Zugang zu Beschäftigung und grundlegenden Dienstleistungen.

Nicht funktionierende Wohnungsmärkte gefährden das soziale Europa, zudem erhöhen sie die Obdachlosigkeit und Armut und untergraben das Vertrauen in die Demokratie.

Wir müssen Strategien entwickeln, die eine angemessene Wohnraumversorgung gewährleisten und parallel dazu ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und dem Wohl unseres Gemeinwesens herstellen. Unser Ziel? Bezahlbare und florierende Lebensräume für alle.

Ein europäischer Plan, der angemessenen und bezahlbaren Wohnraum sicherstellen soll, muss Folgendes umfassen:

  • Regulierung der Wohnungsmärkte in Europa
  • Mehr öffentliche Investitionen in umweltgerechten sozialen Wohnraum
  • Senkung der Immobilienpreise
  • Bekämpfung von Obdachlosigkeit
  • Sicherstellung angemessener Unterkünfte für Kinder
Image of gavel and house keys
Regulierung der Wohnungsmärkte in Europa

Wohnen ist ein soziales Gut und ein Menschenrecht, das nicht zum Handels- oder Spekulationsobjekt verkommen darf. 

Fakt ist, dass die Immobilienfonds im Euroraum auf die gigantische Summe von 1 Billion Euro angewachsen sind – ein Riesensprung von 350 Milliarden Euro im Jahr 2010. Wie ist es dazu gekommen? Die Antwort liegt in den besonderen Privilegien privater Bauträger und Investoren.

Dazu zählen die Befreiung von der Kapitalertragssteuer, Steuergarantien, die geringere Besteuerung von Mieteinnahmen sowie erbschaftsbezogene Anreize. Die Folgen? Institutionelle Anleger investierten allein im Jahr 2020 gewaltige 64 Milliarden Euro in den Wohnungskauf.

Wir blicken mit Sorge auf die Tatsache, dass private Bauträger und Investoren großen Einfluss auf unsere Wohnungslandschaft nehmen. Sie betrachten Unterkünfte als Spekulationsobjekt und berauben sie ihrer wesentlichen sozialen Aufgabe.

Einige nationale Praktiken haben die Lage noch verschärft, darunter Steuervergünstigungen für Immobilienspekulanten, Steueranreize für Eigenheimbesitzer, die Vergabe sogenannter goldener Visa, um ausländische Investoren anzulocken, und die Deregulierung der Mietmärkte.

Wir müssen unsere Wohnungsmärkte aus dem Würgegriff von Spekulanten und Investoren befreien. Wir müssen Wohnen zu einem Grundrecht machen – es darf kein Privileg sein, das nur wenigen vorbehalten ist. Engagieren Sie sich in unserer Bewegung für gerechtes Wohnen, die dafür sorgt, dass alle ein Zuhause finden, unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten. Gemeinsam können wir uns der Entwicklung entgegenstemmen und erschwinglichen, hochwertigen Wohnraum für alle sicherstellen.

Wofür kämpfen wir?

  • Begrenzung der Privatisierung im öffentlichen und sozialen Wohnungsbau
  • Angemessene Mietregelungen
  • Vollständige Transparenz bei Wohnungsbauinvestitionen
  • Beschränkung des kurzfristigen Weiterverkaufs von Immobilien
  • Eindämmung der „Touristifizierung“ des Wohnungsmarktes, auch „Airbnb-Effekt“ genannt 
Image of coins, trees, and house with energy rating
Mehr öffentliche Investitionen in umweltgerechten sozialen Wohnraum

Die EU muss sicherstellen, dass genügend hochwertige und bezahlbare Sozialwohnungen vorhanden sind, wobei besonderes Augenmerk auf deren Nachhaltigkeit zu legen ist.

Mindestens 30 % aller neuen Wohnungen sollten für untere Einkommensgruppen und mindestens 30 % für mittlere Einkommensgruppen erschwinglich sein.

Es ist höchste Zeit, den sozialen Wohnungsbau als wichtige Investition zu begreifen. In vielen Ländern bleiben die Investitionen in sozialen Wohnraum trotz der beispiellosen Nachfrage hinter anderen öffentlichen Ausgaben zurück. Geringverdiener sind durch hohe Wohnkosten belastet, was durch die steigenden Zinssätze noch verschlimmert wird.

Außerdem müssen Sozialwohnungen umweltgerecht sein. Das bedeutet nicht nur, auf Nachhaltigkeitskriterien zu achten, sondern auch, Freizeiteinrichtungen, Gemeindezentren, Parks und Grünflächen zugänglich zu machen, vor allem in benachteiligten Stadtvierteln. 

Genauso wichtig ist die Reform der EU-Haushaltsregeln, über die derzeit verhandelt wird. Ihre Reform ist der Schlüssel zu einer ehrgeizigen Agenda für staatliche Investitionen.

Des Weiteren sollte die Europäische Kommission die EU-Beihilferegelungen überarbeiten und die Zielgruppe für den sozialen Wohnungsbau ausweiten, damit wirklich bezahlbarer Wohnraum für alle entstehen kann. Konkret sollte die Kommission die Definition dieser Zielgruppe in den Bestimmungen über die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse entsprechend ändern. Die EU sollte das Konzept des sozialen Wohnungsbaus in ein breites Universalmodell einbetten, das sozialen Wohnraum für alle Bürgerinnen und Bürger vorsieht, um sozial gemischte Stadtteile zu ermöglichen.

Image of wooden houses with green arrow visualizing price decreases
Senkung der Immobilienpreise

Anfang 2022 kam es im Euroraum zum stärksten Anstieg der Verbraucherpreise seit Jahrzehnten, verbunden mit der ersten Zinserhöhung seit mehr als zehn Jahren. Durch die hohen Hypothekenzinsen haben sich die Immobilienpreise in der EU stark verteuert. Im ersten Quartal 2022 lag der Anstieg bei fast 10 %, einem seit Beginn der 1990er Jahre unerreichten Wert.

Aufgrund der steigenden Hypothekenzinsen können sich Familien Immobilien nicht mehr leisten, und da die Zinsen für neue Kredite ebenfalls nach oben gehen, nimmt auch die Belastung für bestehende Hauseigentümer weiter zu, vor allem bei Darlehen mit variablen Zinsen.

Die Wohnkosten steigen Jahr für Jahr dramatisch an, und zwar schneller als das verfügbare Einkommen der Menschen. Für viele in Europa bilden diese Kosten nun den Löwenanteil ihrer Gesamtausgaben. Was treibt diese Kosten in die Höhe? Ein Hauptgrund ist die Immobilienspekulation, die die Kosten für den Wohnungskauf in unzumutbare Höhen treibt.

Am härtesten trifft es Menschen am unteren Ende der Einkommensskala. Zwischen 2010 und 2023 sind die Mietpreise um 20 % angestiegen, während die Hauspreise um schwindelerregende 46 % in die Höhe geschnellt sind. In Estland, Ungarn, Litauen, Lettland, Luxemburg, Tschechien und Österreich haben sich die Hauspreise gar mehr als verdoppelt.

Ineffiziente Immobilienmärkte verschärfen zudem die Einkommens- und Vermögensunterschiede in der EU. Öffentliche Eingriffe in den Hypothekenmarkt sind daher nicht nur eine gute Idee, sondern ein dringendes Gebot sozialer Gerechtigkeit. Sie sind der Schlüssel zu einer gerechteren Vermögensverteilung.

Es ist Zeit zu handeln:

  • Die EU muss eine temporäre Zinsobergrenze einführen, um den rasanten Anstieg der Hypothekenzinsen abzubremsen.
  • Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit müssen Banken und Regierungen die Schwächsten schützen.
  • In die nationalen Reformprogramme* (NRP) müssen Pläne für bezahlbaren Wohnraum aufgenommen werden.

* Die nationalen Reformprogramme sind ein wesentlicher Bestandteil der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU. Sie bieten einen strukturierten Ansatz zur Gestaltung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Mitgliedstaaten, mit Stabilität, Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen als übergeordnete Ziele. Die Programme bilden die Grundlage für koordinierte Maßnahmen.

Homeless sitting in front of wall with a drawn house on it
Bekämpfung der Obdachlosigkeit

Im Jahr 2023 waren EU-weit fast 900 000 Menschen obdachlos.

Obdachlosigkeit untergräbt die Menschenwürde. Zudem verstößt sie gegen mehrere Menschenrechte, etwa das Recht auf Wohnen, Nichtdiskriminierung, Gesundheit, Zugang zu sauberem Wasser und zu Sanitäranlagen, Sicherheit der Person und Freiheit von grausamer, erniedrigender und unmenschlicher Behandlung.

Obdachlose sind ebenso wie Menschen, die in informellen Unterkünften leben, häufig Kriminalisierung, Schikanen und Diskriminierung ausgesetzt.

Zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit sind folgende Maßnahmen erforderlich:

  • Alle EU-Länder müssen das Programm „Housing First“ übernehmen.
  • Die Kriminalisierung Obdachloser muss beendet werden.
  • Die Aporophobie (negative Einstellungen und Gefühle gegenüber Armut und armen Menschen) muss als Hassverbrechen anerkannt werden.
  • Diskriminierung aufgrund von Obdachlosigkeit sollte europaweit verboten werden.
Women and child in home without heating and light
Sicherstellung angemessener Unterkünfte für Kinder

Haushalte mit Kindern laufen zunehmend Gefahr, bei der Wohnungssuche auf unüberwindliche Hindernisse zu treffen. Viele Familien mit geringem Einkommen sind gezwungen, in beengten Wohnverhältnissen zu leben, während das begrenzte Angebot an Sozialwohnungen gleichzeitig quälend lange Wartelisten nach sich zieht.

Nicht ausreichende Heizmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen sind in mehreren Mitgliedstaaten noch immer weit verbreitet. Dadurch werden nicht nur das Wohlbefinden unserer Kinder, sondern auch ihre Gesundheit, ihr Wachstum und ihre Bildungschancen beeinträchtigt. Wir müssen einsehen, dass angemessene Unterkünfte die Grundlage dafür sind, dass wir die Entwicklung und den Lernerfolg unserer Kinder fördern können.

Unsere Hauptbotschaften:

  • Kein Kind sollte in kalten und beengten Verhältnissen aufwachsen.
  • Das Recht von Kindern auf angemessenen Wohnraum sollte durch öffentliche Maßnahmen gewährleistet werden.
  • Das Budget der Europäischen Kindergarantie muss um mindestens 20 Milliarden Euro aufgestockt werden.
S&D-Pressekontakt(e)